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Nachlese Pressegespräch (Teil 1)

  • Frank Wagner
  • 10. Juni 2016
  • 8 Min. Lesezeit

Am 31. Mai hatte ich die Gelegenheit, zum ersten Mal der Oberhessischen Presse Rede und Antwort zu stehen. Heraus kam ein Artikel, mit dem ich insgesamt zufrieden war.

Wie aber nun mal üblich, konnte dieser Artikel die Aspekte eines einstündigen Gespräch nur in Kurzform wiedergeben – was ich im Allgemeinen sehr schade finde aber auch verstehe.

Gott sei Dank muss ich mich hier im Blog nicht an übliche Pressekonventionen und Zeilenbeschränkungen halten. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht und möchte nun mein Gespräch mit der Presse hier noch einmal – aufgrund des Umfangs in mehrere Teile aufgeteilt – ausführlich abbilden.

OP: Hallo Herr Wagner. Zunächst einmal die Frage, wie es zu dieser Initiative kam.

FW: Ursprünglich hat sich die ganze Geschichte bei dem Wahltalk der OP im März ergeben. Beim Gespräch unter Freunden kamen wir recht schnell zu dem Ergebnis, dass man recht viel aus der Freibadanlage machen könnte wenn man sich darum bemühen würde. Das fängt zum Beispiel bei der Technik an, wo man sehr viel Heizkosten (derzeit wird ja noch mit Gas geheizt) sparen könnte, durch modernere Energienutzung. Eine Lösung wäre, ähnlich wie in Marburg, eine Solaranlage.

OP: Darum brauchen Sie sich zum Beispiel schon gar keine Gedanken mehr zu machen, denn das Bad wird von der Bioenergie-Genossenschaft an das Nahwärmenetz angeschlossen.

FW: Das wusste ich zwar noch nicht aber es ist gut, das zu hören. [Anm. d. Red.: Laut Olaf Hausmann ist derzeit kein Anschluss des Freibads an das Fernwärmenetz geplant. Die oben gemachte Aussage trifft nur auf das Hallenbad zu.]

Wie dem auch sei. Anschließend setzte ich mich an einen ersten, groben Entwurf zur Neugestaltung des Geländes und präsentierte diesen auf einem der Wahlstände – zufällig bei der SPD. Der Zuspruch war gut um man bat mich um die Zusendung des Plans. Allerdings war ich mir dessen bewusst, dass man viel dazu erklären müsste und wollte deshalb das Ganze in ein kleines Konzept packen. Daraus entstand dann eine zweieinhalbstündige Videopräsentation. Ich muss zugeben, dass die Arbeit dazu schnell ausuferte.

Ursprünglich wollte ich die bisher entstandenen Visualisierungen erst einmal nur erklären, dann dachte ich mir, dass es ja noch mehr gibt, was man um das Thema Freibad machen kann. Veranstaltungen waren z.B. sehr wichtig für mich. Die Suche nach den Möglichkeiten war plötzlich wie der Stich in ein Hornissennest. Man glaubt gar nicht, wie fündig man mit ein paar google-Suchbegriffen werden kann. In die Präsentation sind ja dann auch über 60 Einzelideen eingeflossen. – Von einzelnen Sportspielen rund um das Thema Schwimmen und Freibad bis hin zu größeren Events.

OP: Das wird ja in Rauschenberg schon gemacht. Es gibt Spieltage für Kinder; es gibt Badeparties oder Aquazumba…

FW: Was ja hier in Kirchhain vom damaligen Bademeister abgelehnt wurde (lacht).

OP: Die übliche Klientel hier im Freibad wie z.B. die Frühschwimmer, welche einfach nur rauf- und runterschwimmen wollen, würden Sie damit natürlich nicht erreichen, sondern mit einem Spaßbad eher vergraulen.

FW: Nicht unbedingt. Meine Vision lässt ja immer noch das Schwimmen über drei Fünfzig-Meter-Bahnen zu. Wenn ich mich gerade hier so umschaue und aus bisherigen Gesprächen, sind es nicht selten maximal ein duzend Menschen (und oft dieselben hier aus der Nachbarschaft), die regelmäßig hier zur gleichen Zeit Ihre Bahnen ziehen.

OP: Ja, das ist oft so. Auch in anderen Bädern sind die Frühschwimmer ein überschaubarer Kreis, für die das Bad dann auch bei schlechtem Wetter geöffnet wird. Aber nur mal um zu zu zeigen, was es dort [bei den Initiativideen] für Hindernisse gibt: Hier in Kirchhain tobt ein Krieg zwischen Schwimmern und Aquajoggern. Wo immer ein Bahnjogger schwimmt, ist ein Auqajogger im Weg. Das ist also alles nicht so einfach.

Wie soll denn dass, was Sie da so vorhaben, finanziert werden?

FW: Für mich steht zunächst etwas anderes im Vordergrund. Als ich gemerkt habe, dass der Film (trotz seiner Länge) und die Ideen bei den Menschen gut ankamen, wollte ich erst einmal zeigen, wie so eine Vision [von einem Erlebnisbad] aussehen könnte – eine Vision, die der Betrachter klar vor Augen hat, mit dem Ziel möglichst viele dafür zu begeistern – oder zumindest eine Diskussionsgrundlage zu schaffen. Es geht also darum, beispielsweise zu sagen: „Hier ist die Wasserrutsche, dort, am Hang wäre sie möglich.“ Ob diese dann genau so oder ähnlich [oder gar nicht] umgesetzt werden kann (aufgrund finanzieller Mittel oder Auflagen), dass ist nicht mein primärer Gedanke.

Es geht mir also darum Möglichkeiten zu zeigen – aber es ist klar, dass die Stadt mit Sicherheit nicht die finanziellen Mittel für deren Umsetzung haben wird. So etwas kann, wenn überhaupt, nur über Bürgerengagement Wirklichkeit werden. Sei es durch finanzielle Unterstützung oder mittels Bereitstellung der eigenen Person als Arbeits- bzw. Hilfskraft.

Gerade letzteres möchte ich mal so verdeutlichen: Ich allein habe bisher in das ganze Projekt ca. 300 Arbeitsstunden investiert. Diese Arbeitsstunden muss die Stadt nun nicht einem professionellen Dienstleister vergüten, der normalerweise für ähnliche Arbeiten schnell einen fünfstelligen Betrag in Rechnung stellen würde. Das ist also das unentgeldliche Bürgerengagement, das ich von meiner Seite aus einbringen kann. Man stelle sich mal vor, was wäre, wenn sich nur jeder zehnte Kirchhainer Bürger bereit erklären würde lediglich ein Prozent meines bisherigen Aufwands an Arbeit in das Freibad zu investieren. Dabei kämen jährlich ca. 4800 Arbeitsstunden zusammen (vergleichbar mit dem Arbeitsaufwand des Baus von zwei bis vier Fertighäusern). [Anm. d. Red.: Bildlicher gesprochen: Wäre es nicht auch vorstellbar, dass einer von hundert Kirchhainern – also zusammen 160 Menschen – zwei Wochenenden im Jahr für das Freibad "opfern"?]

OP: Wo sollen denn diese 4800 Arbeitsstunden reinfließen? Wenn es an die Ausführung geht, dann dürfte da ja überhaupt niemand dran. Allein die Schwimmbadtechnik ist ja höchst diffizil - allein schon aus versicherungstechnischen Gründen. [Anm. d. Red. mittlerweile konnte ich in Erfahrung bringen, dass für die Lösung des Problems eine sog. private Bauherrenversicherung helfen könnte]

FW: Es geht natürlich nicht darum, dass Arbeiten von Helfern erledigt werden, die nur Fachbetriebe ausführen können. Es geht eher um Hilfseinsätze in Form von Landschaftspflegearbeiten (gemeinschaftliches Rasenmähen, Baumbeschnitt, etc.). Wir hätten auch vieler kleinere Projekte, die man nach und nach bürgerlich umsetzen könnte wie z.B. eine Matschanlage, [oder die Spielfelder in der Activity Area]. Also heimwerkerische Tätigkeiten. Auch einfache Erdbewegungen [gemeint sind solche, wie z.B. für das Beachvolleyballfeld oder für den Wellnesbereich] wären mit entsprechenden Maschinen von den Bürgern zu realisieren.

OP: Was Sie da schildern, ist ein Punkt, den es in vielen Bädern, wie z.B. Rauschenberg, auch gibt. Dort gibt es einen Kreis von Leuten, die einen Teil der Pflegearbeiten übernehmen. So konnte die Gartenanlage bewirtschaftet werden und ein Teil der Gebäude wurde neu angestrichen. Dieser Kreis wird wohl auch das Schwimmbad in der zweiten Hälfte diesen Jahres durch Gründung eines Fördervereins als Träger des Schwimmbads übernehmen. Das hat dann vor allem den Charme, dass ein Förderverein für eine Sanierung oder Pflege des Schwimmbades Fördermittel erhält, während die Stadt darauf keinen Anspruch hat. Deshalb ist über Kurz oder Lang sicherlich eine Notwendigkeit dieses Modell zu fahren, was es ja in ähnlicher Form schon im Hallenbad [Kirchhain] gibt.

Trotzdem ist es ja so, dass die Stadt hier auch Eigentümer dieser Immobilie ist. Selbst wenn jetzt hier nur 10 Millionen Euro reininvestiert werden (eine geringe Summe für so ein Projekt), dann wird diese Summe erst einmal haushaltswirksam. Die Stadt muss das Geld erstens haben und dann kommt es ja erst. Alles was die Stadt sich aus dem sogenannten Finanzhaushalt anschafft (Früher hieß das Vermögenshaushalt. Darin werden alle Neuinvestitionen geführt), muss auch gleichzeitig an Schulden getilgt werden. Wenn Sie also hier in Kirchhain 500.000 Euro Schulden aus dem Finanzhaushalt abtragen, dann dürfen Sie nicht mehr als 500.000 Euro für Investitionen ausgeben.

Da sind wir dann auch bei dem Punkt, dass sich Kirchhain für das Freibad nie mehr als Flickschustereien leisten kann. Selbst wenn Sie das Geld hätten – also die 10 Millionen – dann werden die über 20 Jahre abgeschrieben – und zwar haushaltswirksam. Das bedeutet, die Stadt Kirchhain macht ohne dass aus dem Bad ein Mehrwert entsteht 500.000 Euro Verlust. Das ist ein enormer Betrag, den der Kämmerer verantworten muss.

Wenn die Stadt dennoch die zehn Millionen auf einmal investieren würde, dann würde der Haushalt nicht genehmigt werden und die Stadt wird mit Sicherheit unter Kuratell [Aufsicht/Kontrolle] gestellt. Jeder Cent, den dann die Stadt ausgibt, wird von der Kreisverwaltung herausgegeben – und dann wäre es aus mit den zehn Millionen.

Dies nur mal als Beispiel, welche gewaltigen finanztechnischen Probleme dahinter stecken. Ich finde das ein bisschen ambitioniert, wenn ich sehe – auch wenn es wunderschön aussieht – wie dort „Luxusdinge“ entstehen, die sich vielleicht Düsseldorf (als einzige schuldenfreie Stadt Deutschlands) leisten könnte aber nicht das bettelarme Kirchhain. Von daher habe ich die Befürchtung, dass dort an einem Wolkenkuckuksheim [Luftschloss] gebastelt wird.

FW: In Bezug auf die Finanzierung von städtischer Seite gebe ich Ihnen recht. Aber wie gesagt, es geht hier darum, eine optische Geschichte zu entwickeln, die möglichst viel Begeisterung in der Bevölkerung erzeugen soll. Dass das nicht in ein, zwei oder sogar zehn Jahren so, wie ich mir das ausgedacht habe, umgesetzt wird, ist mir schon klar. ABER man hätte ein Ziel auf das man zusteuern könnte, denn Visionen von heute können die Zukunft von morgen sein (um Herrn Hesse zu zitieren).

In Wilhelmshöhe war das Freibad [2011 noch] von der Schließung bedroht. Dort geht man nun in diesem Jahr dank hoher Bürgerbeteiligung die Beckensanierung an. Ich erwähne dieses Beispiel deswegen, weil man in Wilhelmshöhe einen sehr schönen Strukturplan ausgearbeitet hat, der aufzeigt, welche Einzelarbeiten bei einem Projekt von Helfern ohne, mit wenig, mit mittlerer oder mit hoher Fachkenntnis umgesetzt werden können – oder nur durch Fachbetriebe. Dadurch konnte in den letzten zwei, drei Jahren viel passieren, wie z.B. die Innenraum-Sanierung des Cafégebäudes.

Mir geht es ebenso darum, viele Bürger auf ähnliche Weise mit ins Boot zu holen. Da unsere Bevölkerung wesentlich kleiner ist, als in Wilhelmshöhe, wird das nur funktionieren, wenn wir klare Ideen schaffen, die die Menschen sich ansehen [und daran Gefallen finden] können.

Irgendwann wird der Punkt kommen, dass die Stadt entscheiden muss: Wird das Freibad geschlossen oder wird es saniert. Die Flickschusterei, die Sie erwähnten wird – gerade was die Technik oder die Dichtigkeit des Beckens angeht – nicht lange weitergehen können.

OP: Ja, das weiß keiner.

FW: Ja, das ist eine ungewisse Sache. Manche Menschen mit denen ich schon gesprochen habe, sagen, es ist eigentlich ein Wunder, dass es noch funktioniert. Theoretisch rechnet man jedes Jahr damit, dass etwas passiert, dass die Stadt dazu veranlasst, das Bad im schlimmsten Fall im Hochsommer wochenlang stillzulegen.

OP: Das war ja schon im Sommer 2014 der Fall. Da das Bad nur noch zu Hälfte geöffnet, weil man keine Badeaufsichten mehr hatte.

FW: Ich hatte ja bereits die Möglichkeit mit einigen Vertretern der Stadt zu sprechen. Z.B. beim Rundgang am 15. Mai, wo Olaf Hausmann dabei war. Dort kamen wir auch auf das Thema zu sprechen, was man machen kann und vor allem, was gemacht werden muss. Im Moment besteht wohl auch keine Klarheit darüber, wie hoch der tägliche Wasserverlust im Hauptbecken, aufgrund von Undichtigkeit ist.

So, wie ich es an dem Tag verstanden habe vertritt die Stadt jedoch aktuell die Einstellung, das Bad erhalten zu wollen [vorausgesetzt eine Sanierung wäre wirtschaftlicher, als ein Neubau am Hallenbad]. Darüber hinaus werden ja auch im nächsten Jahr Gelder aus der Bäderstiftung fließen, die wohl im fünfstelligen Bereich liegen könnten – das wird man aber noch sehen.

OP: Davon könnte man gerade mal eine Pumpe austauschen.

FW: Ja, viel ist es nicht, was man sich von der Stiftung versprechen darf. Deshalb ist es umso wichtiger Kirchhains Bürger als starke, gemeinschaftliche Antriebskraft mit im Boot zu haben. Alles vor dem Hintergrund gemeinsam etwas Großes zu schaffen. Nicht nur etwas, dass das Bad wiederbeleben und neue Besucher anziehen könnte, sondern auch z.B. durch den Saunabereich neue, „Genießerklientel“. Gerade im Wellnessbereich ist man ja gerne bereit erstens mehr Eintritt zu zahlen und zweitens ist auch der Anspruch an die Gastronomie höher.

OP: Man würde mit einem Wellnessbereich aber auch gleichzeitig höhere Energiekosten verursachen. Sie können ein Schwimmbad niemals kostendeckend betreiben.

FW: Wie machen es dann Privatbäder?

OP: Durch horrende Preise, die sich viele Familien mit Kindern gar nicht mehr leisten können. Man muss sehen, dass Energiekosten wahnsinnig hoch sind und die Schwimmbadtechnik generell anfällig ist.

Damit möchte ich den ersten Teil meiner Nachlese vorerst beenden.

Gerade beim letzten Punkt möchte ich aber noch abschließend folgende Frage in den Raum stellen:

Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, dass öffentliche Bäder aufgrund der finanziellen Situation immer unattraktiver werden, wenn geringe Besucherzahlen dazu führen, dass diese Bäder schließen und wir eines Tages zum Besuch eines Freibads entweder längere Wegstrecken auf uns nehmen oder teure Privatbäder aufsuchen müssen – wohlgemerkt nur, dann, wenn man es sich auch leisten kann – ist es nicht gerade dann umso wichtiger, dass wir alle gemeinsam bei einer Umgestaltung mithelfen, die unser Kirchhainer Freibad (mit meiner Meinung nach großem Potenzial) zum „bezahlbaren Erlebnisbad um die Ecke“ macht?

In diesem Sinne

man liest sich hoffentlich zum zweiten Teil

 
 
 

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